Die Bezeichnung „silent book“ passt für dieses Bilderbuch gleich doppelt. Denn hier wird völlig auf den Text verzichtet und auf die Illustrationen fokussiert. Und auch thematisch widmet sich die Geschichte dem Stummsein, der Sprachlosigkeit. Gesprochenes kommt jedoch trotzdem sehr lautstark zu Wort! Der Tipp von Andrea Kromoser.
Kann es sein, dass wir tagtäglich zu viele Wörter aussprechen? Haben denn unsere Worte überhaupt genügend Platz auf den Strassen, in den Häusern, Cafés oder Parks? Wohl kaum, wenn wir uns bildlich vorzustellen, wie es aussehen würde, wenn jeder einzelne Buchstabe, jedes gesprochene Wort, jeder Satz in seiner geschriebenen Form aus unseren Mündern kommen und zu Boden fallen würden! Jeahouk Cha und Eunyoung Choi widmen diesem Gedankenexperiment ein ganzes Bilderbuch, das textlos erzählt und in dem Buchstaben eine grosse Rolle zugewiesen wird. Ganze Haufen von ihnen liegen um und unter Kaffeehaustischen, stapeln sich vor Hauseingängen oder purzeln aus Briefkästen. Am Nachsatzpapier notiert Jeakhouk Cha: „Heute habe ich mir all die Wörter vor Augen gehalten, die ich den Menschen gesagt habe, und mich gefragt, wie viel Gewicht sie haben.“
In der Ruhe liegt die Kraft
Während die Figuren des Buches bei ihrer inflationär betriebenen Wortproduktion entlang des Tagesverlaufes zu beobachten sind, entdecken wir bald jenen Mann, nach dem das Bilderbuch benannt ist. Herr Stumm ist eine angenehm leise, sehr sympathische Identifikationsfigur. Er tritt als Strassenkehrer auf, sein ständiges Requisit ist der Kehrbesen, mit Hilfe dessen er die Buchstabenhaufen und Wortschwalle der anderen zusammenkehrt. Hinter den Marktbuden, am Strand, im Park, auf den Strassen, … überall und unermüdlich räumt Herr Stumm die Sprache seiner Umgebung auf. Charakteristisch für den Mann mit dem sprechenden Namen ist, dass seinen Mund kein Laut und kein einziger Buchstaben verlässt. Er ist der ruhige, ruhende Gegenpol einer lauten, geschäftigen Welt. Einer, der Stille geniesst und lebt, der Ruhe und Versonnenheit mit sich bringt. Am Ende des Arbeitstages lädt uns die Geschichte in Herrn Stumms Wohnung. Wir betreten einen spärlich eingerichteten Raum. Sehen, wie er Kehrbesen und Arbeitsjacke zur Seite stellt und können den warmen Duft aus der Kaffee- oder Teetasse am Tisch förmlich riechen. Als Herr Stumm die Tür zum Nebenzimmer öffnet, bleiben wir alleine – um in Ruhe noch einmal zurückzublättern und dabei immer wieder neue Details in diesen faszinierenden Bildwelten zu entdecken.
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