Amélie Niermeyer hat die dreistündige Oper «Guillaume Tell» voller aktueller Links, etwa auf den Krieg in der Ukraine, inszeniert. Gesanglich, musikalisch und konzeptionell sehr beeindruckend und sehenswert! Der Tipp der beiden Leporello-Nachwuchsredaktorinnen Alina und Lena Facchinetti.
Der Einstieg in die Geschichte ist etwas schwierig, wenn man die Handlung nicht kennt. Denn der berühmte Apfelschuss ist nicht der Hauptteil der Geschichte :-). Deshalb unser Tipp: sich vorab über die Rollen der Schauspieler:innen informieren und sich in Rossinis Oper einlesen. Das hilft!
Mitten in einer Hochzeit taucht Leuthold (Jonathan McGovern) blutüberströmt auf. Verflogen ist die fröhliche Stimmung. Leuthold hat sich gegen einen Habsburger erhoben und damit sein Volk in Gefahr gebracht.
Wilhelm Tell (Modestas Sedlevicius), der als bester Bogenschütze im Ort gilt, verhilft ihm zur Flucht. Doch die Habsburger, die zu dieser Zeit die Urner Bürger:innen tyrannisieren, stürmen daraufhin das Fest und nehmen den alten Melcthal (Andreas Daum) fest und töten ihn.
Melcthals Sohn Arndold sieht sich im Dilemma: er kann seine Liebe zur Habsburgerprinzessin Mathilde nicht mehr verstecken und muss sich nun aber entscheiden, ob er für die gemeinsame Liebe oder für die gerechte Sache für seinen Vater und sein Volk kämpfen will.
Weder schwarz, noch weiss – noch rot
Die Kostüme (Axel Aust) der beiden Schauspieler:innen Arnold (Anton Rositskiy) und Mathilde (Masabane Cecilia Rangwanasha) unterstreichen diese verzwickte Situation: Arnold trägt einen dunklen Mantel und helle Hosen und hebt sich dabei von dem ganz in weiss gekleideten Volk ab. Mathilde hingegen trägt einen hellen Mantel und dunkle Hosen. Hiermit bildet sie Arnolds Gegenstück, aber zeigt sich zugleich als Habsburgerin zu den in schwarz gekleideten Habsburger:innen zugehörig. Dies ist raffiniert und klug gemacht!
Doch nicht nur die Kostümgestaltung, auch das drehbare Bühnenbild spielt mit der Farbpallette hell und dunkel und natürlich rot – also letztlich den helvetischen Farben. Und dies verleiht der Aufführung einen stimmigen Grundtenor. Die Regisseurin Amélie Niermeyer kreiert eindrückliche Bilder der beschworenen Mythen Tell, Freiheit und Gerechtigkeit, die für eine angeblich unabhängige und neutrale Schweiz stehen – und verlinkt diese mit aktuellen Geschehnissen. So sind bewegte Bilder auf den Hintergrund projiziert. Zu sehen sind Videos von zerstörten ukrainischen Städten und Polizeigewalt auf der ganzen Welt und Bilder unendlicher Flüchtlingsströme.
Diese Idee dem beschworenen helvetischen Mythos, letztlich auf allen Ebenen eine Legende, Aktualitäten gegenüberzustellen, schafft zusammen mit der Musik und dem Gesang, eine beeindruckende und zugleich stimmige Atmosphäre.
Absolut sehenswert und insbesondere auch hörenswert mit einem Berner Symphonieorchester in Höchstform!
Altersempfehlung: ab 11 Jahren
Spieldaten: So 11., Fr 16. und Di 20. Dezember 2023 (18:00 Uhr, 19:30 Uhr und 19:30 Uhr) und Sa 07. Januar 2023 (19:30 Uhr)
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